Die Armen zahlen die Zeche
G20-Geberkonferenz in London: Arme Steuerzahler retten reiche Zocker
Geberkonferenzen sind gewöhnlich internationale Versammlungen von Politikern mit dem Ziel, eine Hilfsaktion nach einer Kriegs- oder Naturkatastrophe zu finanzieren. Oft finden sie in New York „in the midst of the money“ statt. Diesmal traf man sich in London, dem größten Casino westlich von Bagdad.
Die Zeiten ändern sich: Kritische Demonstranten werden von englischen Bobbies mit deutschen Schäferhunden zur Räson gebracht
Keine Kriegs- oder Naturkatastrophe hatte die Staatsoberhäupter der 20 wichtigsten Industriestaaten zusammengeführt. Das Weltfinanzsystem selbst steht wie 1929 auf der Kippe, die größten Casinos des Westens stehen erneut vor dem Konkurs.
Bei Festnahmen ist die Londoner Polizei nicht zimperlich. Ein ca. 30-Jähriger kam im Bankenviertel in einem Polizeikordon unter atemberaubenden Umständen, offiziell starb er an einem "Herzinfarkt", ums Leben. Zahlreiche Verletzte (es gibt keine Zahlen!) durch massiven Einsatz von Schlagstöcken und Reizgas sind zu beklagen.
Wie bei jeder Geberkonferenz ging auch hier das Angebot der Vereinigten Staaten voran, für den beabsichtigten Zweck eine große Summe im Eventualbudget bereitzustellen. Die USA leben auf großem Fuß. Als einst mächtigster Staat der Welt sind sie es gewohnt, sich das vorne demonstrativ gespendete Geld hintenrum stickum bei ihren Vasallen wiederzuholen, und meist noch etwas mehr. Wenn die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich große Summen zur Wiederbelebung der Konjunktur austun, müssen die anderen notgedrungen folgen. Wenn es den US-Plutokraten gelungen ist, der Schweiz 10 Milliarden Dollar abzupressen, dann dürften die armen Deutschen mit mindestens 100 Milliarden Dollar für die US-Superreichen via IWF zur Kasse gebeten worden sein.
Am Ende wurden auf der G20 über eine Billion Dollar den Armen aus den Industriestaaten abgepresst, um trickreich über den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank die Offshore-Kassen reicher, proisraelischer US-Nichtsnutze in Delaware und der UK-Mammonisten auf den Virgin-Islands zu füllen. Für die Armen in den Entwicklungsländern fallen höchstens ein paar Brosamen ab.
Washington und London bedienen sich seit der Gründung der IFI`s bei IWF und Weltbank verdeckt immer als erste selbst. Die intransparenten internen Vergaberegeln der IFI`s begünstigen die USA und UK vor dem Rest der Welt, zudem sind nahezu alle Schlüsselpositionen auf den Chefetagen des Weltfinanzsystems in den "richtigen" hebräischen Händen.
Die Sache mit der "Lösung" des Weltfinanzproblems hat also einen Haken. Das Verursacherprinzip gilt nicht. Diejenigen, die die Billionen verzockt, versoffen und verhurt haben und diejenigen, die ab jetzt das Geld wieder beischaffen müssen, sind nicht identisch. Wieder einmal, wie schon 1929, muss der kleine Mann, müssen Milliarden Steuerzahler weltweit für die Gier und die Verschwendungssucht der US-/UK-Kapitalisten den Kopf hinhalten.
Lange werden sich die Deutschen das nicht gefallen lassen. Da helfen auch lügenhaft-verharmlosende Leitartikel in der FAZ ("Geld für die Armen, Regeln für alle") oder beschwichtigende, professionell verfälschende Kommentare in der Berliner Zeitung ("Es sitzen alle in einem Boot") nicht weiter. Es sitzen eben nicht alle in einem Boot: Wir rudern wie die Bekloppten und Josef Ackermann fährt Wasserski.
Zwar versucht das offizielle Kommunique des London Summit den Eindruck zu erwecken, neben dem verzweifelten Ruf der Angloamerikaner nach frischem Geld sei auch der Wunsch der Kontinentaleuropäer nach kompletter Kontrolle der Märkte, Produkte und Spieler berücksichtigt worden. Doch an erster Stelle wird in dem Dokument die von den Amis erflehte Konjunkturspritze von über einer Billion Dollar abgehandelt und erst weiter hinten im Text kommen die Passagen, die sich mit der stärkeren Regulierung der Finanzmärkte befassen.
Hilfloser Versuch der FTD, eine Übersicht über die Flut der "Zertifikate" zu geben. Es gibt Hunderttausende von verschiedenen Schmutzpapierarten.
Wie der ungeheure Berg von toxischen Wertpapieren abgetragen werden soll bleibt jedem Land selbst überlassen. Heute mehr oder weniger wertlose Derivate und Zertifikate, die nach ihrer kreativen Erschaffung im Jahr 2007 einen Gegenwert von knapp 600 Billionen repräsentierten, befinden sich im Umlauf, der meiste Dreck schlummert unverkäuflich in den Tresoren der Banken oder Konsumenten. Wie kann dieses Kardinalproblem des Weltfinanzsystems von den US-/UK-Verursachern gelöst werden? Wer ersetzt weltweit den Anlegern den Schaden? No answer, keine Antwort von Barack Obama und Gordon Brown.
Gerhard Scherhorn, 79, emeritierter Professor für Konsumökonomik an der Universität Hohenheim, Stuttgart, zeigt in der taz auf, wie die insolventen Banken vom Finanzkapital saniert werden könnten und nicht vom Steuerzahler. Dann könnten die neuen Staatsschulden stattdessen nachhaltig zur Eindämmung des Klimawandels eingesetzt werden. Für die faulen Subprime-Immokredite verweist er auf eine Idee von Luigi Zingales von der University of Chicago. Der hat vorgeschlagen, „der Gesetzgeber möge die Verluste der Wall Street minimieren, indem er für die gefährdeten Immobilienkredite ein Zeitfenster zu Neuverhandlungen öffnet, in denen die Kreditgeber verpflichtet werden, die Kreditsummen um den Prozentsatz zu ermäßigen, in dem die Immobilienpreise gesunken sind. Durch diesen Schuldenerlass ginge ein kleinerer Teil der Hypothekenschuld in das Eigenkapital der Schuldner über und die Gläubiger könnten den Verlust des größeren Teils vermeiden (bei einer Zwangsversteigerung würden sie mehr verlieren).“
Für die Entlastung der Banken ohne Inanspruchnahme der Steuerzahler sieht Scherhorn einen ähnlichen Weg: „Der Gesetzgeber müsste insolvente Banken veranlassen, auf der Passivseite ihrer Bilanz die bisherigen Aktien abzuwerten und stattdessen eine Anzahl von Anleihen und Einlagen in Eigenkapital umzuwandeln. Zugleich erhielten die bisherigen Aktionäre eine befristete Option, den Anleihe- bzw. Einlagengläubigern die zu transformierenden Schuldverschreibungen abzukaufen, wenn sie im Spiel bleiben wollen. So würde das Finanzkapital selbst den Banken das neue Eigenkapital zur Verfügung stellen, das für künftige Kreditvergabe notwendig ist. Wenn die Regierung dennoch einspringen muss, so nicht um die Investoren zu subventionieren, sondern allein um das Kreditgeschäft anzukurbeln.“
Derartige Querdenker sind auf Geberkonferenzen natürlich verpönt. Da schnürt man in anderthalb Tagen lieber einen Sack voll fauler Kompromisse, der schon einen Tag später wieder aufplatzt. Zum Beispiel bei den berüchtigten Steueroasen. Das Kommunique verweist auf eine ominöse schwarze Liste der OECD, auf der gerade mal vier, finanzpolitisch völlig unbedeutende Länder stehen:
- Costa Rica,
- Malaysia,
- die Philippinen und
- Uruguay.
Auf der grauen Liste der OECD stehen unter "Andere Finanzzentren" kontinentaleuropäische Ländchen wie die Schweiz, Belgien, Luxemburg oder Österreich am Pranger. Eine Blamage für die Europäische Union. Wo war hier die EU-Kommission, die im Vorfeld die Angelegenheit innerhalb der EU hätte bereinigen müssen.
Die wirklich dicken Fische wie Großbritannien mit Guernsey und Jersey, der Isle of Men und Gibraltar, die Brit. Virgin Islands, Cayman Islands, die Bahamas werden weiß gewaschen, sind über Nacht während der G20- Konferenz auf die weiße Liste geschmuggelt worden. Der Staat Delaware, USA bleibt unerwähnt. Hongkong, Singapur und Macao verschwinden dank der guten Zusammenarbeit zwischen den Angloamerikanern und China plötzlich in einer winzigen Fußnote 2) und sind scheinbar kein Problem mehr (siehe hierzu die Bildergalerie von n-tv) .
In einem US-Gesetzentwurf, der noch von Barack Obama eingebracht aber nie verabschiedet wurde, findet sich ff. Liste von Steueroasen:
(i) Anguilla.
(ii) Antigua and Barbuda.
(iii) Aruba.
(iv) Bahamas.
(v) Barbados.
(vi) Belize.
(vii) Bermuda.
(viii) British Virgin Islands.
(ix) Cayman Islands.
(x) Cook Islands.
(xi) Costa Rica.
(xii) Cyprus.
(xiii) Dominica.
(xiv) Gibraltar.
(xv) Grenada.
(xvi) Guernsey/Sark/Alderney.
(xvii) Hong Kong.
(xviii) Isle of Man.
(xix) Jersey.
(xx) Latvia.
(xxi) Liechtenstein.
(xxii) Luxembourg.
(xxiii) Malta.
(xxiv) Nauru.
(xxv) Netherlands Antilles.
(xxvi) Panama.
(xxvii) Samoa.
(xxviii) St. Kitts and Nevis.
(xxix) St. Lucia.
(xxx) St. Vincent and the Grenadines.
(xxxi) Singapore.
(xxxii) Switzerland.
(xxxiii) Turks and Caicos.
(xxxiv) Vanuatu.
Warum Frau Merkel nicht den Mumm hatte, Obama beim Verbot der Steueroasen noch nicht einmal auf seinen eigenen Entwurf festzulegen, und warum Sarkozy nicht wie versprochen die Konferenz verließ, als er erkannte, dass sich die angloamerikanischen Zocker (mit China) wieder mal gegen Kontinentaleuropa (mit Russland) durchsetzen würden, das ist uns klar.
Frau Merkel können wir im Herbst demokratisch abwählen, weil sie erkennbar nicht die Interessen der deutschen Steuerzahler vertritt. Was die Franzosen mit Sarkozy und seiner Geliebten anstellen könnten, wenn das mit den Unruhen in Frankreich so weitergeht, lässt sich am Geiselschicksal des Patrons der Fa. Caterpillar erahnen. Hoffentlich gerät Frankreich nicht im kommenden heißen Sommer außer Kontrolle. Franzosen kaufen keine Bahnsteigkarten.
Christoph Schlingensieb - 5. Apr, 14:25
